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KI, Kreativität und Kunst

Welchen Wert hat Kunst und welche Rolle darf, kann und soll KI dabei spielen? Diese Frage warf ich in meiner Keynote an der Konferenz CLTR 2024 vom Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum auf.

Meinen Input startete ich mit einer Selbstoffenbarung: Meine Fingernägel sind fake. Die echten fielen dem kreativen Druck, unter dem diese Rede entstand, zum Opfer. Sie wurden abgebissen.

Und damit war klar, dass menschliche Kreativität einer ganz anderen Logik folgt, als die Arbeit von KI-gesteuerten Text-, Bild- und Musikgeneratoren:

Ein Sprachmodell ist kein Autor, es hat keine Ahnung von und kein Gefühl für Sprache. Es redet nicht. Es rechnet. Es hat keine Bedürfnisse. Es hat keine Absicht. Wie die Wurstmaschine die Wurst ausspuckt, so spuckt ChatGPT den Text aus.

Menschliche Kreativität hat nur eine Zukunft, wenn wir den grundlegenden Unterschied zwischen KI-generiertem Output und menschlich geschaffener Kunst erkennen.

Wenn wir das nicht tun, trocknet die künstlerische Pipeline, die von Menschen gestaltet wird, aus. Und gleichzeitig ertrinkt sie. Und zwar in der Flut an Output, den KI generiert.

Möglich gemacht wird das Ganze durch den nonchalanten Umgang der Tech-Unternehmen mit Urheberrechten. Egal wie man dazu im Detail steht: KI wirft im Kontext von Kultur, Kunst und Kreativität immer auch die Frage nach Gerechtigkeit auf.

Und nein, KI „demokratisiert“ nicht die Kreativität, sondern sie „oligarchisiert“ sie. KI-Unternehmen pressen die kreative Arbeit von Künstlern aus. Wie eine Zitrone. Die Gewinne fliessen nicht in Ateliers, sondern ins Silicon Valley.

Wer behauptet, generative KI demokratisiere die Kunst, muss zeigen, wie bestehende Gatekeeper überwunden, die Kreativbranche belebt und zugleich gerechter werden soll.

Bis dahin sind solche Phrasen nur heisse Luft. Und davon haben wir im Kontext von KI schon genug, nicht nur im übertragenen sondern auch im wörtlichen Sinn, wenn man sich die Energieintensität der Datenzentren anschaut.


Für das Interview, das ich der Gastgeberin neben der Bühne gab, muss ich eine Triggerwarnung aussprechen. Denn die «moralische Distanz zwischen Menschen und KI» triggert mich anscheinend so sehr, dass ich das Verb gleich zwei Mal innerhalb eine Minute verwende.

Das Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum fragte mich unter anderem, wie ich zum Thema KI und Ethik gekommen bin.

Schuld daran war ein Algorithmus. Und zwar derjenige von Twitter (nun X). Der erste Tweet, der mir in meine Timeline gespült wurde, als ich dort ein Konto eröffnete, drehte sich ums Thema KI. Und seither hat es mich nicht mehr losgelassen.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung in Wirtschaftsethik „triggert“ mich vor allem das Folgende:

Bei wirtschaftsethischen Fragen heisst es immer: Der Markt entscheidet, wir haben keinen Handlungsspielraum. KI ist eine Weitererzählung dieser Ohnmacht (oder sollen wir sagen: Verantwortungsverweigerung?) mit technologischen Mitteln. An die Stelle vom Markt tritt der Algorithmus, der uns scheinbar entmündigt.

Mein Anliegen ist es, die Rolle und Verantwortung vom Menschen zu betonen.

Zur Regulierung: Die Schweiz macht im Oktober 2024 noch das, was sie am liebsten tut. Sie «beobachtet» und wird sich wohl zurückhalten mit Regulierung. Das ist ok, aber es braucht trotzdem eine Vision von den Werten, die uns in Gesellschaft und Wirtschaft wichtig sind, und inwiefern KI so gestalten können, dass sie diese Werte fördert.

Interessiert an einem Referat zum Thema KI, Kultur und Ethik? Kontaktieren Sie mich »

Interview am Rande der CLTR24