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Vorauseilender Gehorsam oder nacheilende Authentizität?

Diversity war lange das Aushängeschild für moderne Unternehmensethik. Heute reicht oft schon die blosse Möglichkeit politischer Gegenreaktion – und das Thema wird fallengelassen wie eine heisse Kartoffel.

Täglich erscheinen neue Schlagzeilen darüber, wie Unternehmen ihre Diversity-Ziele aufgeben. Und Regenbogenfahnen, mit denen ganze Konzernsitze beflaggt wurden, landen in der Textilsammlung. Und zwar nicht nur in den USA. Auch in der Schweiz knicken Unternehmen ein. Präventiv, versteht sich. Aus Angst vor Bussen? Das wäre ja legitim. Vorauseilender Gehorsam

Nur: Beim angeblichen «Öko-Diktat», gegen das sich so viele Unternehmen lautstark wehrten, war dieser vorauseilende Gehorsam nie ein Thema. Der vorauseilende Gehorsam ist in Tat und Wahrheit nacheilende Authentizität.

Die gleichen Unternehmen, die gegen Konzernverantwortungsinitiativen wettern, weil extraterritoriale Gesetze angeblich ein No-Go sind, unterwerfen sich widerspruchslos oder gerade zu willfährig fremden Vorgaben, sobald es ihren Interessen dient.

Und während manche Firmen potenzielle Bussen wegen Gesetzesverletzungen schlicht als „Kosten des Geschäfts“ verbuchen (die Credit Suisse lässt grüssen), reicht bei Diversity die blosse Möglichkeit einer Sanktion, um plötzlich Haltung aufzugeben. Oder war das vielleicht gar keine echte Haltung? Sondern nur ein kalkulierter Marketingeffekt?

Letztlich ist es eine Frage der Prioritäten:
Wer leistet sich Ethik auch in schwierigen Zeiten?
Und wer hält daran fest, wenn es finanziell nicht (mehr) nützt?

Ich habe immer gesagt: Ich habe nichts dagegen, wenn Unternehmen mit Ethik Geld verdienen. Solange sie auch dann ethisch bleiben, wenn es kein Geld mehr bringt.

Heute muss ich zugeben: Das war naiv.

Eine Version dieser Gedanken wurde am 20. März 2025 auf LinkedIn veröffentlicht.
Foto von Steve Johnson auf Unsplash.