Künstliche Intelligenz (KI) wird gerne als eine der grössten technologischen Revolutionen unserer Zeit bezeichnet. Doch wie steht es unter anderem um ihre Auswirkungen auf die Chancengleichheit? Hier sind einige meiner Kernaussagen aus einem Interview mit Wirtschaft Regional im Vorfeld meiner Keynote am Businesstag für Frauen in Liechtenstein.
Ist KI neutral oder doch ein Spiegel der Ungerechtigkeit?
KI wird oft als neutrales Tool betrachtet, das Entscheidungen automatisiert und dabei menschliche Vorurteile überwinden könnte, zum Beispiel wenn es um Chancengleichheit geht. Klingt magisch. Aber es gibt einen Haken: KI lernt aus Daten der Vergangenheit – und diese bilden auch Ungleichheiten ab. Statt Gerechtigkeit zu schaffen, wird KI so zur Fortsetzung von Diskriminierung mit anderen Mitteln. Die Vorstellung, dass KI moralisch überlegen handelt, ist ein verlockender, aber gefährlicher Irrtum.
Inklusion mit KI: Grosses Potenzial, aber nicht für alle
KI kann viele Barrieren abbauen – etwa für Menschen mit Sprach- oder Leseschwierigkeiten. Doch um diese Potenziale auszuschöpfen, müssen alle mitmachen. Aktuell nutzen aber deutlich weniger Frauen KI als Männer. Das Gleiche gilt für die Entwicklung von KI. Wenn Frauen wollen, dass KI sie repräsentiert, müssen sie aktiv dabei sein – als Nutzerinnen, Gestalterinnen und Kritikerinnen.
Es ist erwiesen, dass homogene Entwicklerteams Anwendungen entwickeln, die für Menschen mit anderen Merkmalen nicht funktionieren. Auch das Versprechen, Verzerrungen durch „de-biasing“ Werkzeuge auszumerzen, täuscht. Fairness und Unvoreingenommenheit lassen sich nicht in reine, mathematische Formeln giessen – hinter jeder Berechnung stehen menschliche Wertungen. Und diese machen Algorithmen erklärungsbedürftig. Wenn wir KI nutzen, ohne sie zu hinterfragen, drohen Verzerrungen als Fakten wahrgenommen zu werden.
Wer trägt die Verantwortung – die KI oder der Mensch?
Egal, wie fortschrittlich KI wird: In Hochrisikokontexten, wie Entscheidungen über Jobs, Wohnungen oder Angelegenheiten vor Gericht, muss am Ende ein Mensch stehen – mit Verantwortung und Rechenschaftspflicht immer der Mensch das letzte Wort haben. Wenn niemand die Konsequenzen von Fehlentscheidungen tragen muss, werden wir die KI skrupellos einsetzen.
Ökologischer Preis: Kernkraftwerke für Katzenbilder?
Die Euphorie rund um generative KI übersieht einen wesentlichen Punkt, nämlich den massiven Verbrauch an Energie und Wasser. Wollen wir diese knappen Ressourcen wirklich einsetzen, um Datenzentren zu kühlen und Fake-Katzenbilder zu generieren? Ist das ein valider Grund, um nukleare Technologien wieder auszubauen? Das sollten wir kritisch hinterfragen.
Wir alle müssen auch realistischer werden betreffend Produktivitätssteigerung durch KI. Aber natürlich wird die Freude des Menschen an einem neuen Spielzeug, mit dem man gefühlt alles machen kann, nicht verschwinden. Und das ist ein Dilemma, weil man einerseits den Menschen nicht die Freude verderben will, aber wir andererseits einen hohen Preis dafür bezahlen.
Und wie sollen Unternehmen mit KI umgehen?
KI sollte immer im Einklang mit den bestehenden Werten eines Unternehmens stehen – und diese Werte müssen Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt einbeziehen. Wenn wir Veränderung wollen, reicht es nicht, KI einfach laufen zu lassen. Wir müssen bewusst entscheiden, wie und wofür wir sie einsetzen.
Die Datenrevolution frisst ihre Kinder
ChatGPT und andere Large Language Models stossen mittlerweile an ihre Grenzen: Nach jahrelangem Datenraubzug durchs Internet – oft unter Missachtung von Urheberrechten – wehren sich immer mehr Unternehmen. Darum beginnen die Modelle, sich mit ihren eigenen, KI-generierten Daten zu füttern. Doch dadurch entsteht eine gefährliche Dynamik: Fehlerhafte oder verzerrte Muster reproduzieren sich unkontrolliert. Das System kollabiert, wenn die Datenrevolution ihre eigenen Kinder frisst.
Fazit: Regulierung und Mündigkeit im Umgang mit KI
KI allein bringt keine Revolution für Gerechtigkeit oder Chancengleichheit. Sie ist ein Werkzeug, kein Wundermittel. Deshalb müssen wir uns genau überlegen, welche Probleme wir lösen wollen und wie KI dabei einen Unterschied machen kann. Wenn die Risiken zu hoch ist, ist es unter Umständen mutiger, auf ihren Einsatz zu verzichten.
Den ganzen Artikel gibt es hier (mit Bezahlschranke). Einblick in meine Keynote gibt es hier »